Der Boden als Kohlenstoff-Speicher

Uns zu Füßen liegt der größte Kohlenstoffspeicher. In Böden sind gigantische Mengen an organischem Kohlenstoff in Form von Humus gebunden, und zwar viermal so viel wie in der oberirdischen Vegetation und mehr als doppelt so viel wie in der Atmosphäre berichtet das Thünen-Institut in seiner Bodenzustandserhebung [1].

“Eine weitere Schlagzeile der Superlative! Doch was fange ich an mit dieser Info?”

Voreilig betrachtet wäre daraus zu schließen, dass Humus vergraben mehr bringt als Bäume zu pflanzen. Wer sich ein wenig tiefer gehend mit der Materie befasst, sieht die Zusammenhänge, die - sehr grob vereinfacht - auf die Formel gebracht werden können: Bäume pflanzen = Humus vergraben.

Doch langsam. Die Info besagt zunächst, dass Böden einen hohen Stellenwert im Kohlenstoffhaushalt unserer Erde einnehmen und gebührend zu berücksichtigen sind. Für Deutschland sind die landwirtschaftlich genutzten Böden die größten terrestrischen Speicher mit 2,5 Milliarden Tonnen an organisch gebundenem Kohlenstoff, so der Bodenreport des Bundesamtes für Naturschutz [2]. Da muss sich niemand erst die Mühe machen, diese unvorstellbare Menge mit dem Umrechnungsfaktor von C in CO2 auf das 3,67-fache noch weiter "aufzublasen", um zu verdeutlichen, dass dieser Kohlenstoffvorrat besser nicht an die frische Luft gelangen und mit Sauerstoff reagieren sollte. In den oberen Bodenschichten passiert dies aber - mal mehr, mal weniger unvermeidlich - durch Entwässerung, Erosion, landwirtschaftliche Tätigkeiten und veränderte Aktivitäten des Bodenlebens.

Umgekehrt mehren sich die Kenntnisse, wie Kohlenstoff in Form von Humus erneut wieder im Boden versenkt werden kann und welche Vorteile Humus für eine Klimaanpassung mit sich bringt. Die Zunahme von nur 1% Humus im Oberboden (0-25 cm) stellt eine Senke für fast 70 Tonnen CO2 pro ha dar (*Basis der Berechnung). Wer sich vor Augen führt, dass es in Deutschland 16,6 Mio Hektar landwirtschaftliche Flächen [3] und 11,4 Mio Hektar Wald [4] gibt, könnte direkt euphorisch werden: “Lasst uns loslegen!”

Auf zur Bestandsaufnahme: Wo im Boden stecken die Humusvorräte, wie können sie dort bleiben, wo kann noch mehr Humus dazukommen? Nun ist Boden ja nicht gleich Boden und weit mehr als nur stille Lagerstätte für Humus. Böden sind dynamische Gefüge von Mineralien, organischer Masse, Bodenlebewesen, luft- oder wassergefüllten Poren, gelösten und festen Stoffen, die sich gegenseitig beeinflussen. Abbau-, Umbau- und Aufbauprozesse sind stetige Vorgänge, die abhängig vom Untergrund, Ausgangsgestein, dem Klima und der Kulturgeschichte einen Boden geprägt haben und ihn fortwährend wandeln. Die Humusvorräte darin, also die Gesamtheit der abgestorbenen organischen Stoffe tierischer, pflanzlicher und bakterieller Herkunft, sind ein komplexes Gemisch von Huminstoffen, die ganz unterschiedliche Größe, Stabilität und Lebensdauer aufweisen, sich in bestimmten Schichten anreichern können und auch Verlagerungsprozessen unterliegen. So entstehen ganz unterschiedliche Humusgehalte vertikal in den einzelnen Bodenschichten und zudem variieren sie sehr stark von Ort zu Ort in Abhängigkeit von der geografischen Lage, Entstehungsgeschichte, Entwicklung und Nutzung eines Bodens.

Ein einfaches Rezept für den Humusaufbau gibt es daher nicht, sondern nur die einheitliche Empfehlung, das ortsspezifische “System Boden” zu betrachten und aus dem Verständnis von Wirkmechanismen heraus angepasste Maßnahmen zu entwickeln.

Den meisten Kohlenstoff gibt es in Moorböden. Tiefgründige Hochmoore haben das Maximum von 100% Humus in Form von Torf aufzuweisen. Mehr Kohlenstoffbindung ist dann nur absolut zu bewerkstelligen, indem das Moor intakt und sein Wasserstand entsprechend hoch gehalten wird, so kann der Torfkörper weiter wachsen. Für Moorböden steht der Stopp der Humusverluste im Vordergrund. Dieser ist besonders dramatisch, wenn Moore für die Nutzung als Forst, Acker oder Grünland entwässert werden, da allein schon durch den Wechsel von anaerob zu aerob die Zersetzung der organischen Bodensubstanz einsetzt, lange bevor die ersten Ernten abgefahren werden, die das Humusdefizit weiter vergrößern. Der Verlust von organischem Bodenkohlenstoff bei Moorböden ist enorm. Der Anteil von Moorböden beträgt ungefähr 6 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland, die CO2-Emissionen aus den Böden tragen aber zu rund 37 % an den gesamten Treibhausgasemissionen des Sektors Landnutzung [1] bei .

Eine Wiedervernässung und Bewirtschaftung im Nassen muss also her und die gibt es. Unter dem Stichwort Paludikultur [5] sind Verfahren zur nassen Bewirtschaftung von Mooren mit Torferhalt - im Idealfall mit Torfbildung - zusammengefasst.

Bei Mineralböden sieht es ganz anders aus. Hier bewegen sich die Zahlen zum Humusgehalt im unteren einstelligen %-Bereich und auch darunter. Mit diesem Humusstatus [6] ist also viel Luft nach oben, reichlich Platz für mehr Kohlenstoff. Die Landwirtschaft verfügt über zahlreiche Instrumente, hat viele alte und neue Methoden im Repertoir, die zur Humusbildung führen. Seit Generationen bekannt sind die Wirkungen von Zwischenfrüchten, Untersaaten, organischer Düngung und vielfältiger Fruchtfolge auf den Äckern nicht zuletzt als Notwendigkeit, die Humuszehrung [7] der abgeernteten Feldfrüchte auszugleichen. Und Wallhecken und Knicks sind quasi die historischen Vorbilder für Agroforstsysteme, die durch tiefe Durchwurzelung und Streu Humusbildner liefern.

Grund dieser Maßnahmen ist nicht die schlichte Kohlenstoffspeicherung im Boden. Das vorrangige Ziel des Humusaufbaus sind die Förderung des Bodenlebens und damit der Bodenfruchtbarkeit, die es z. B. dem Biolandbau ermöglicht, komplett auf Mineraldünger zu verzichten. Der Schutz vor Wind- und Wassererosion, vor Staunässe und Überschwemmung, die Pufferung von Nährstoffen und des ph-Wertes, das Wasserhaltevermögen bei Trockenheit, die Stabilität der Krümelstruktur bei Starkregen sind nur einige Beispiele aus einer langen Reihe von Vorteilen, die Humus mit sich bringt. Längst werden Methoden wie pfluglose Bodenbearbeitung und Mulchsaat weiterentwickelt, damit das Bodenleben geschont bleibt. Denn dieses ist nicht nur maßgeblich für Humus, sondern für den Naturhaushalt [2] insgesamt.

Bäume zu pflanzen - natürlich nicht im Moor - ist also doppelt gut, denn CO2 aus der Atmosphäre wird im Holz gebunden, Wurzeln und Laub sind die Stofflieferanten für Humus. Sauerstoff, Kühle, Schatten und Früchte gibt es obendrein. Lesen Sie das Interview mit Jonas Gampe, Permakultur-Designer und Erschaffer von essbaren Ökosystemen.

Und es gibt Ideen und Methoden, damit die Kohlenstoffspeicherung durch Humusaufbau im Boden direkt belohnt wird, und zwar über den Zertifikate-Handel zur CO2-Kompensation, wie in diesem Humusaufbauprojekt [8]. Und nicht nur die Kohlekumpels [9] liefern mit Pflanzenkohle [10] die Garantie für stabilen Kohlenstoff im Boden ist.

Berechnung und Quellen

*Berechnung Kohlenstoff-Speicher-Potential:
C-Gehalt in Humus von 58%,
spezifisches Gewicht Boden 1,3 t/m³,
die oberen 25 cm wiegen dann ¼ davon,
1 ha sind 10.000 m²,
1% Humus in 1 ha Oberboden wiegen dann 32,5 t,
das sind 18,85 t Kohlenstoff oder 69 t CO2

[1] Humus in landwirtschaftlich genutzten Böden Deutschlands, https://www.thuenen.de/media/institute/ak/Allgemein/news/Bodenzustandserhebung_Landwirtschaft_Kurzfassung.pdf, S. 8, S. 37
[2] Bundesamt für Naturschutz, Bodenreport, 2021, https://www.bfn.de/sites/default/files/2021-04/210108_BodenBioDiv-Report.pdf, Seite 16f
[3] Landwirtschaftliche Nutzfläche in Deutschland, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/206250/umfrage/landwirtschaftliche-nutzflaeche-in-deutschland/
[4] BMEL Bundeswaldinventur, https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/bundeswaldinventur3.pdf?__blob=publicationFile&v=3
[5] Bundeamt für Naturschutz, https://www.bfn.de/paludikultur
[6] Umweltbundesamt, Humusstatus der Böden https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/boden/humusstatus-der-boeden
[7] Landwirtschaftskammer NRW, Humus und Bodenfruchtbarkeit https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/ackerbau/boden/humus-pdf
[8] Humusaufbau. Bodenverbesserung. Klimaschutz. http://docplayer.org/52902083-Humusaufbau-bodenverbesserung-klimaschutz-co-2-zertifikat-handel-beschreibung-des-humusaufbau-projekts-zur-kompensation-von-co-2.html
[9] Kohlekumpels, https://kohlekumpels.de
[10] Fachverband Pflanzenkohle, Ist Pflanzenkohle ein Missing Link für das 1,5°C-Ziel? https://fachverbandpflanzenkohle.org/missing_link/

27.02.2023