wilde Brombeeren pflücken
ist wie Daddeln, nur draußen in der Kohlenstoff-Welt, keine Altersbeschränkung. Jede gepflückte Beere ein Treffer, ein Erfolg, eine kleine Glückshormon-Ausschüttung. Das heißt auch, Achtung, es gibt Suchtpotential! Du willst einfach nicht aufhören, bis alles gepflückt, jede deiner Schalen bis zum Rand gefüllt ist mit diesen schwarzen Früchten.
Schale? Ja, du brauchst „Werkzeug“, also mindestens eine Schale, wenn du mehr als nur die hohle Hand füllen willst. Je mehr Schalen - am besten mit Deckeln für den verlustlosen Heimtransport – umso mehr Volumen für viele Beeren, für viele Glückchen.
Auf dem unteren Level pflückst du nur die Brombeeren, die dir ins Auge springen, dich direkt anlachen. Du hebst eine Ranke und entdeckst noch mehr Früchte. Je tiefer deine Blicke ins Dickicht eindringen, umso mehr erkennst du: Viele Beeren, saftig dick und reif, volles Aroma und viel Süße versprechend. Du kletterst über dornige Verzweigungen, windest dich vorbei an den meterlangen Ausläufern, streckst den Arm, soweit du kannst, deine Fingerspitzen berühren die ersten Beeren und dann - NEIN - sie sind so reif, dass sie sich bei der kleinsten Erschütterung vom Zweig lösen und im dornigen Dickicht verschwinden. Aber da, noch ein bisschen weiter recken, gleich daneben noch mehr dicke, saftige Brombeeren. Du kannst sie ergreifen, musst jedoch einige Kratzer in Kauf nehmen.
Das ist jetzt sicherlich schon Level 3 oder 4. Warst du gut vorbereitet, hast dich nicht vom Anblick der ersten Früchte und der Aussicht auf schnellen Erfolg verlocken lassen, sondern dir die Zeit genommen, ein langarmiges Shirt, lange Hosen und feste Schuhe anzuziehen? Glückwunsch zur guten Strategie, sonst könnte dein Weg jetzt zu Ende sein, game over und Neustart mit entsprechender Ausrüstung.
Fortgeschrittene „Brombeer-Gamer“ haben einiges Geschick auf Lager, z.B. die Brennnesseln zwischen den Brombeeren mit der Schale zur Seite drücken und mit der anderen Hand pflücken oder die Schale unter die Rankenspitze mit den reifen Früchten platzieren, damit diese direkt in die Schale fallen und nicht im Dickicht verlorengehen. Weitere Werkzeuge können auch hilfreich sein, z.B. eine Harke, um hohe Ranken mit tollen Früchten zu sich heranzuziehen. Die besten Früchte hängen immer ganz oben und Bosskämpfen mit dem unsichtbaren Fuchsbandwurm gehst du aus dem Weg, wenn du die Beeren unterhalb deiner Kniehöhe den Schnecken überlässt. Hast du eine Rosenschere dabei, um dich notfalls aus den Klauen der Dornenranken zu befreien, die dich beim Rückzug aus dem Gestrüpp mit ihren Widerhaken umklammern? Bitte hinterlasse kein unnötiges Gemetzel am Brombeerstrauch, auch wenn - anders als an der Konsole – wohl niemand nach dem Pflücken ganz ohne echte Kratzer oder Brennnesselquaddel den Ort des Geschehens verlässt.
In der wilden Brombeerwelt erwarten dich Wesen, auf die du gefasst sein solltest. Erschrick nicht vor den Schrecken, lass Hummeln und Wespen ihren Raum an den Blüten oder den überreifen Beeren, dann kommen alle gut miteinander aus. Käfer, Schnecken, Ohrwürmer und Ameisen lass wieder aus der Schale herauskrabbeln, da sind sie ja nur versehentlich hineingeraten und wollen nicht zu uns nach Hause, Zusatzpunkte für jedes befreite Insekt. Vergiss nicht, innezuhalten und zu staunen, wie viel Leben in einer Brombeerhecke steckt. Marienkäfer und verschiedene Blattwanzen krabbeln darin herum, hast du den Bläuling gesehen? Jeder Anblick ein Zusatzpunkt.
Oder du hattest nur Augen für die schwarzen Beeren und kannst nun dein Erlebnis als ganz reales Ergebnis nach Hause tragen, waschen und direkt aufessen, pur, mit Joghurt, im Müsli, auf Törtchen mit Pudding und Sahne oder trinken als heißes oder kaltes Tee-Getränk.
Oder - analog wie immer - Marmelade kochen.
