Prof. Dr. Volker Quaschning, HTW Berlin, Scientists For Future: Private Fotovoltaikanlagen - Steckenpferd oder Bürgerpflicht?

Datum: 22.12.2020

miterago im Gespräch mit Prof. Dr. Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin und Mitbegründer von "Scientists For Future".

miterago: Herr Prof. Quaschning, Sie sind der bekannteste Experte für die Stromerzeugung mit Hilfe der Fotovoltaik in Deutschland. In den letzten 10 Jahren ist der Anteil der Fotovoltaik an der Stromerzeugung in Deutschland in kleinen Schritten auf in diesem Jahr knapp 10% gestiegen. Welcher Anteil ist für eine Energiewende zukünftig erforderlich und stehen uns dafür ausreichend nutzbare Flächen zur Verfügung?

Prof. Quaschning: Neben der Photovoltaik gibt es ja auch noch andere erneuerbare Energien wie beispielsweise die Windkraft. Gemeinsam müssen sie in 15 Jahren 100% der gesamten Energieversorgung decken, wenn wir die Klimakrise im Griff behalten und das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten wollen. Die genannten 10% beziehen sich nur auf die Stromerzeugung. Die Bereiche Wärme und Verkehr müssen ja auch noch durch erneuerbare Energien abgedeckt werden. Wenn das gelingen soll, müssen wir die Stromerzeugung aus Solarenergie in Deutschland in etwa verzehnfachen. Flächen haben wir dafür genug. Wir reden davon, dass dann nicht einmal ein Prozent der Landesfläche mit Solarmodulen belegt wäre und viel davon lässt auch auf Dächern installieren.

miterago: Gibt es weltweit genügend Rohstoffe für Fotovoltaikmodule, die konfliktfrei gefördert werden können und lassen sich die Module am Ende gut recyclen?

Prof. Quaschning: Hauptrohstoffe für Fotovoltaikmodule sind Silizium und Glas. Für beides braucht man vor allem Sand. Da sehe ich keine Engpässe. Ein weiter Rohstoff ist Aluminium für den Rahmen oder Stahl für die Montagegestelle. Auch hier ist kein Mangel an Rohstoffen zu erwarten und auch die Förderung lässt sich konfliktfrei realisieren. Ein Recycling von Solarmodulen wird bereits praktiziert. Mit Ausnahme der Kunststoffe lassen sich die Materialien sehr gut wiederverwerten.

miterago: Die Kosten für Fotovoltaikmodule und Stromspeicher sind in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. Rechnen sich diese Investitionen für Privatleute und können sie damit einen relevanten Beitrag zur Energiewende und gegen den Klimawandel leisten?

Prof. Quaschning: Wenn das eigene Dach oder der Balkon nicht gerade nach Norden schauen oder stark verschattet sind, rechnen sich derzeit Solaranlagen in Deutschland. Nutzt man das Dach eines Einfamilienhauses, lassen sich pro Jahr je nach Größe der Anlage zwischen 2 und 10 Tonnen an Kohlendioxid einsparen. Das ist auf jeden Fall ein signifikanter Beitrag für den Klimaschutz.

miterago: In den Niederlanden und der Schweiz ist die Anmeldung und der Betrieb von privaten Fotovoltaikanlagen ohne große Formalitäten möglich, in Deutschland schon fast abschreckend aufwendig. Das müsste doch nicht so sein.

Prof. Quaschning: Hier muss man immer die Frage stellen, welche Ziele die Politik verfolgt. In Deutschland geht es dem zuständigen Wirtschaftsministerium eher darum, die Marktbedingungen für Energiekonzerne zu verbessern und den Ausbau so langsam zu gestalten, dass wir auch noch 15 Jahre Kohlekraftwerke in Deutschland betreiben können. Gute Bedingungen für Privatpersonen oder wirksamer Klimaschutz haben da keine große Priorität.

miterago: Im Arbeitspreis auf der Stromrechnung sind u. a. ein Entgelt für die Stromnetznutzung und eine Konzessionsabgabe an die Kommunen für die Nutzung öffentlicher Wege durch die Versorgungsunternehmen u. a. für den Stromleitungsbau enthalten. Wie gerecht ist dann noch eine EEG-Umlage für den selbsterzeugten und selbstverbrauchten Strom?

Prof. Quaschning: Niemand zahlt eine Abgabe, wenn er eigene Äpfel aus dem Garten erntet. Bei der Photovoltaik ist das genauso absurd. Wir müssen dafür sorgen, dass auch Mieter überall Zugang zu günstigem eigenen Solarstrom haben. Dann haben wir einen gerechten Weg. Wenn wir eine schnelle Energiewende wollen, müssen wir die EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch schnellstmöglich abschaffen.

miterago: und überhaupt gibt es auf der einen Seite Förderprogramme zum Beispiel für die Investition in Stromspeicher und Wallboxen, auf der anderen regulatorische Hemmnisse, die den notwendigen Ausbau unnötig erschweren.

Prof. Quaschning: Das kommt dabei raus, wenn man nicht nach einem funktionierenden Gesamtplan handelt, sondern in einem Stückwerk immer nur einzelne wenige Interessensgruppen berücksichtigt.

miterago: Wenn ich die Investition in eine Fotovoltaikanlage auf dem eigenen Dach scheue, ist eine Verpachtung des Daches eine sinnvolle Alternative?

Prof. Quaschning: Die Margen bei der Photovoltaik sind inzwischen recht klein, sodass man mit der Dachpacht nicht mehr viel Geld verdienen kann. Für die Umwelt und den Klimaschutz ist natürlich auch das verpachtete Dach eine gute Alternative.

miterago: Kommunen und Städte investieren immer mehr Erneuerbare Energien. Wenn ich kein eigenes Dach besitze, wie kann ich meine Stadt oder mein Dorf dabei sinnvoll finanziell unterstützen?

Prof. Quaschning: In vielen Städten oder Landkreisen gibt es Bürgerenergiegenossenschaften. Manchmal bieten auch Stadtwerke eine Beteiligungsmöglichkeit an. Hier lässt sich die Energiewende vor Ort voranbringen. Auch wenn es diese Möglichkeit nicht gibt, sollte man sich auf jeden Fall einen unabhängigen grünen Stromanbieter suchen.

miterago: Herr Prof. Quaschning, danke für dieses Gespräch, das sicherlich den einen oder anderen anregt, mit Hilfe der Fotovoltaik etwas gegen den Klimawandel und für die Energiewende zu tun!

Prof. Quaschning: Danke für die Einladung zu miterago. Wir müssen alle aktiv werden, wenn die Klimakrise nicht außer Kontrolle geraten soll. Die Fotovoltaik ist dabei eine große Chance, die wir unbedingt nutzen sollten.