Jonas Gampe, Permakultur-Designer: Notwendiger Umbau der Landwirtschaft

Datum: 14.01.2023

miterago im Gespräch mit Jonas Gampe, Garten- und Landschaftsbau Techniker und Permakultur-Designer

Böden speichern weltweit viermal so viel Kohlenstoff wie die oberirdische Vegetation und mehr als doppelt so viel, wie in der Atmosphäre enthalten ist. Eine Steigerung des Kohlenstoffgehaltes im Boden – z. B. durch Humusaufbau – kann die CO2-Konzentration in der Atmosphäre erheblich verringern. Wie steht es um den Humusgehalt der Böden in unseren Breiten...

miterago: Welche Folgen hat ein geringer Humusgehalt des Bodens für die Landwirtschaft?

Jonas Gampe: Einfach gesagt, geht die Fruchtbarkeit der Böden zurück, wenn der Humusgehalt zurück geht. Die Wasserspeicherfähigkeit ist stark vermindert, bei vermehrten Starkregenereignissen kann also immer weniger Wasser vom Boden aufgenommen werden. Aber auch die Durchlüftung des Bodens ist geringer (vor allem bei bindigen Böden). Zudem können humusarme Böden weniger Nährstoffe speichern. Letztendlich also auch ein Schaden fürs Grundwasser, wenn Niederschläge nicht mehr gut gefiltert werden und nur noch schwer im Boden versickern können.

Für den Humusrückgang ist vor allem die Landwirtschaft selbst verantwortlich (durch großflächige Monokulturen und bodenbelastende Bewirtschaftungsmethoden). Also ein selbstgemachtes Problem, welches daher allerdings auch sehr gut selbst wieder behoben werden kann.

miterago: Durch den Klimawandel haben wir auch in Deutschland immer häufiger Dürreperioden und Starkregenereignisse. Wenn Ackerböden die Feuchtigkeit nicht mehr ausreichend speichern können, versuchen Bauern, über eine stärkere Grundwasserentnahme und Bewässerung ihrer Äcker, ihre Ernten zu sichern. Mit fatalen Folgen für den Grundwasserspiegel ...

Jonas Gampe: Richtig. Auf der einen Seite ist wie gesagt die Grundwassererhaltung stark gefährdet, da weniger Wasser versickern kann und dieses durch Düngemittel und Spritzmittel oft eher belastet anstatt gefiltert wird. Auf der anderen Seite wird dann auch noch vermehrt Wasser zur Bewässerung der Landwirtschaft entnommen. Kein Wunder also, dass in den letzten Jahrzehnten sehr viele lokale Wasserversorgungen geschlossen werden mussten, Brunnen immer tiefer gebohrt werden müssen und das Grundwasser immer schlechtere Werte hat. Teilweise wurden die Grenzwerte hier sogar schon mehrmals angepasst, um das Wasser überhaupt noch weiterhin als Trinkwasser verwenden zu dürfen.

Die Absenkung des Grundwasserspiegels ist zudem leider ein Teufelskreis: Durch sinkendes Grundwasser sterben beispielsweise bestimmte Waldbereiche ab, was wiederum für weiter sinkendes Grundwasser sorgt usw. Bis wir dann in Mitteleuropa irgendwann auch eine halbwüstenartige Landschaft haben (sehr gut zum Beispiel an Süd-Spanien zu sehen, was früher auch mal dichter Urwald war).

miterago: Welche Möglichkeiten der Umgestaltung zu einem Humusaufbau hat die Landwirtschaft?

Jonas Gampe: Da gibt es sehr viele verschiedene Möglichkeiten. Grundsätzlich haben eigentlich alle regenerativen Landwirtschaftsmethoden den Anspruch, auch Humus aufzubauen. Das kann beispielsweise gutes Weide-Management sein, Verwendung von Biomasse/Kompost auf den Äckern oder passende Direktsaatmethoden in eine Mulchauflage usw. Ich bevorzuge jedoch den Umbau der landwirtschaftlichen Grundstruktur in eine Ökosystem-Landwirtschaft bzw. Permakultur-Landwirtschaft. Denn dabei werden nicht nur einzelne Probleme gelöst, sondern gleich alle großen Probleme, welche die Menschheit aktuell hat. Hierbei wird der Großteil der landwirtschaftlichen Produktion über vieljährige Gehölzstrukturen abgedeckt, die zugleich so angeordnet werden, dass sie viele weitere Ökosystemdienstleistungen abdecken (Lebensraum, Artenvielfalt, Wasserreinigung, Erosionsschutz, Klimamäßigung, Windschutz, Luftbefeuchtung, Hitzeschutz, Hochwasserschutz und eben auch Humusaufbau). Die einjährigen Kulturen werden nur noch so weit angebaut, wie tatsächlich nötig. Diese finden zukünftig sogar einen deutlich besseren Standort zwischen den angelegten Ökosystemstrukturen, bei dem dann kein Pflanzenschutz und keine zusätzliche Düngung mehr notwendig ist, sofern die Anlage gut gestaltet wurde.

miterago: Die Umgestaltung der Landwirtschaft ist ein langwieriger Prozess. Leider gibt es bei dem Versuch, Dinge positiv zu verändern, oft ungeahnte bürokratische Hürden. Auch ein Problem in der Landwirtschaft?

Jonas Gampe: Die Bürokratie sehe ich da als kein großes Hindernis. Wenn man sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen gut auskennt, kann man problemlos auch in dem aktuellen Kontext vielfältige Ökosystem-Landwirtschaften anlegen, ohne dass Politik oder Behörden dem im Wege stehen können. Gute Fachkenntnis und umfassende Praxiserfahrung ist dabei allerdings schon nötig. Daher sehe ich das größere Hindernis eher im Bildungsbereich, da selbstständiges Denken, eigene echte Erfahrungen sammeln, selbstbestimmtes Handeln usw. quasi keine Rolle in unserem Bildungssystem spielen. Es wäre natürlich dennoch wünschenswert, wenn sich Behörden und Politik sinnhaft und konstruktiv an zukunftsfähigen und gemeinnützigen Umsetzungen beteiligen, anstatt dem mehr im Wege zu stehen als zu helfen. Aber auch hier liegt das Problem eher in mangelhafter Bildung begründet. Wie viele Menschen in Politik und Behörden kennen sich schon mit konsequent zukunftsfähigen Methoden aus und haben langjährige Praxiserfahrung in deren Anwendung…?

miterago: Wird die Rolle des Humusaufbaus und der damit verbundenen CO2-Reduktion in der Atmosphäre von Politik und Gesellschaft unterschätzt?

Jonas Gampe: Das kann ich nicht sicher beurteilen, da ich keine umfassenden Umfragen dazu durchgeführt habe. Ich habe den Eindruck, dass es grundsätzlich schon bei vielen Menschen angekommen ist, dass Humus CO2 bindet und damit auch einen Teil zur Abminderung des Klimawandels beitragen könnte. Allerdings ist auch das nur ein kleiner Teilbereich des Themas. Was ich eher vermisse ist, dass in Politik und Gesellschaft die umfassende Komplexität des aktuellen Biosphärenzusammenbruchs nicht verstanden wird. Schon alleine nur von „Klimawandel“ zu reden, zeigt das sehr gut. Und diesen Wandel vor allem auf CO2 in der Atmosphäre zu beziehen, zeigt es noch besser. Es geht dabei um viel mehr, weshalb ich beispielsweise auch lieber von einem „Biosphärenzusammenbruch“ rede und nicht nur von „Klimawandel“. Grundsätzlich haben wir vor allem in den letzten beiden Jahrhunderten die Welt so umgestaltet, dass Extreme aller Art gefördert werden und natürliche Regulation und Abmilderung behindert wird. Daher wird nun eben alles deutlich extremer (Starkregen, Dürre, Verschmutzung, Hitze aber auch Winterextreme usw.). Ziel sollte also sein, nun möglichst viel Fläche wieder so zu gestalten, dass Extreme abgemildert werden und natürliche Funktionen wieder hergestellt werden. Hier liegt das größte Potential in der Umgestaltung der Landwirtschaft, hin zu essbaren Ökosystemen.

miterago: Wie hilfreich kann die Erzeugung und Einbringung von Pflanzenkohle in den Boden dabei sein?

Jonas Gampe: Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich Menschen gerne in Details verzetteln und dabei den Gesamtkontext aus dem Auge verlieren ;-). Pflanzenkohle kann eine gute und sinnvolle Detaillösung in einigen (eher kleineren) Bereichen sein. Der Einsatz ist vor allem dann sinnvoll, wenn die benötigte Biomasse zur Herstellung ohnehin als nicht besser genutzter Abfall vorhanden ist (zum Beispiel in einigen städtischen Biomüll-Sammelstellen). Ansonsten ist aber beispielsweise die Nutzung von Schnittgut als Totholzhecke viel effizienter, die während ihres langen Verrottungsprozesses noch reichlich Lebensraum bietet und Artenvielfalt fördert. Abfälle möglichst nah vor Ort und möglichst multifunktional zu nutzen, ist aber auf jeden Fall sinnvoll. Und in einigen Fällen wird die Verwendung als Pflanzenkohle sogar die beste Lösung sein. Um auf der gesamten landwirtschaftlichen Fläche einen merklich positiven Effekt durch Pflanzenkohle herzustellen, müssten wir jedoch alle Waldflächen der Erde mehrfach abholzen. Es ist also keine umfassende Lösung für viele Landwirte, sondern eher eine kontextbezogene Detaillösung, die in einigen Fällen gut passt.

miterago: Wie können Kommunen und auch Privatleute zu einer CO2-Speicherung in Böden beitragen?

Jonas Gampe: Wenn es nur um die Frage von CO2-Speicherung geht, empfehle ich meist das nachhaltige Pflanzen von Bäumen. Denn dabei werden auch viele der anderen Faktoren positiv beeinflusst, die im Bezug auf den aktuellen Biosphärenzusammenbruch eben auch eine Rolle spielen. Aufgrund des größten Potentiales beziehe ich mich dabei dann gerne auf die landwirtschaftlichen Flächen. Kommunen und auch Privatleute können also beispielsweise die Anlage von Ökosystem-Landwirtschaft in ihrer Region fördern und vorantreiben. Auch innerorts können ungenutzte Flächen zu essbaren Parkanlagen gestaltet werden. Solidarische Landwirtschaften können gegründet werden, die dann essbare Gehölzstrukturen anlegen und so vielfältige Nahrungsmittel bereit stellen. Ein Bildungsprogramm kann über regionale Bildungsträger entwickelt werden, das über zukunftsfähiges Handeln informiert und reichlich praktische Anwendungsmöglichkeiten erklärt usw. Die Möglichkeiten etwas Gutes zu tun, sind quasi grenzenlos. Einfach eine für sich gut passende Möglichkeit raussuchen und loslegen :-)

miterago: Herr Gampe, herzlichen Dank für dieses Gespräch und den Hinweis darauf, wie jeder aktiv werden kann!

Jonas Gampe: Sehr gerne und vielen Dank auch euch. Ich wünsche allseits frohes Schaffen und gutes Gelingen :-)